Vor über 100 Jahren wurde der Internationale Frauentag eingeführt, um auf Frauenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter aufmerksam zu machen. Die Gesetzeslage zur Gleichstellung der Frau ist heute natürlich ungleich besser als vor 100 oder auch nur 50 Jahren. So gehört es glücklicherweise seit vielen Jahrzehnten der Vergangenheit an, dass Frauen ihre Männer fragen müssen, ob sie arbeiten dürfen. Viele Menschen sind sich zudem heute wesentlich stärker dessen bewusst, dass noch immer ein Machtungleichgewicht zwischen Männern und Frauen herrscht – die Folge patriarchaler Rollenvorstellungen. Ein Teil dieser Menschen setzt sich aktiv für eine Verbesserung der Lage ein. Doch von echter Gleichberechtigung in der Arbeitswelt können wir nach wie vor noch lange nicht sprechen. Genau deshalb ist der Internationale Frauentag auch heute noch so wichtig und seine Aufwertung zum Feiertag im Land Berlin ein richtiges Zeichen.
Frauen haben bei Gehältern und Führungspositionen weiterhin das Nachsehen. Betrachten wir zunächst das Thema Gehalt: Frauen wird für ihre Arbeit immer noch weniger gezahlt als Männern. Der Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Brutto-Stundenlohn von Männern und Frauen wird Gender Pay Gap genannt. Selbst der bereinigte Gender Pay Gap, der strukturelle Unterschiede zwischen den Geschlechtern wie unterschiedliche Berufe oder Wochenarbeitszeiten berücksichtigt, zeigt: Frauen verdienen für die gleiche Arbeit immer noch weniger als Männer. Mehr Transparenz beim Thema Gehalt wäre da wünschenswert. Inwiefern das Entgelttransparenzgesetz dazu beiträgt, ist fraglich. Zu aufwendig ist der Zugang zu diesen Informationen für Beschäftigte. Der allgemeine Wunsch nach mehr Gehaltstransparenz hat sich auch in der „Meaning of Work“-Studie von Indeed gezeigt. 60 % der männlichen und 65 % der weiblichen Befragten würden es begrüßen, wenn Unternehmen intern den durchschnittlichen Verdienst der verschiedenen Positionen veröffentlichen würden. Doch Transparenz kann noch einen Schritt früher anfangen, nämlich im Bewerbungsprozess: Sogenannte Gehaltsbänder, die die Bandbreite der Entlohnung für eine Tätigkeit aufzeigen, sind anderswo in Stellenanzeigen weitverbreitet – beispielsweise in Großbritannien oder den USA. In Deutschland redet man nicht über Geld, vor allem nicht in der Stellenanzeige. Die „Meaning of Work”-Studie von Indeed hat allerdings gezeigt, dass sich Beschäftigte genau das wünschen: 66 % der Männer und sogar 70 % der Frauen hätten gern ein Gehaltsband in Stellenanzeigen.
Frauen in Führungspositionen ist ein weiteres großes Thema der Gleichberechtigung. Zwar hat sich laut dem DIW-Wochenbericht der Frauenanteil in den Vorständen der DAX-30-Unternehmen in Deutschland zwischen 2008 (0,5 %) und 2019 (14,7 %) deutlich erhöht – dies bedeutet aber immer noch einen Männeranteil von über 85 %. Einige DAX-Unternehmen haben weiterhin einen Frauenanteil von 0 Prozent, die Frauenquote hat das also nicht geändert. Eine Indeed-Befragung zum Thema Inklusion und Diversität hat ergeben, dass sich 25 % der Frauen in ihrer beruflichen Laufbahn bereits wegen ihres Geschlechts diskriminiert gefühlt haben.
Ein Aspekt, in dem sich die Ungleichheit der Geschlechter besonders deutlich zeigt, ist das Thema Familie. Während es in Schweden völlig normal ist, als Vater in Elternzeit zu gehen und dies in wesentlich höherem Maße gleichberechtigt mit der Frau zu tun, gilt ein Vater mit Wunsch nach Elternzeit hierzulande als Exot. Möchte er dann vielleicht noch über die beiden “Vätermonate” hinausgehen, wird er teilweise sogar von Vorgesetzten und Kolleg*innen skeptisch beäugt. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nehmen 63 % (2016) der Väter keinen einzigen Monat Elternzeit. Und von denjenigen Vätern, die sie überhaupt beanspruchen, nehmen 72 % (2018) nur höchstens zwei Monate Elternzeit. Diese zwei Monate sind nötig, um gemeinsam mit der Partnerin die maximale Elterngeld-Bezugszeit von 14 Monaten zu erreichen. Aber sollte der Sinn der Sache nicht eigentlich eine gleichmäßige Aufteilung sein – und nicht eine Maximierung der Elterngeld-Bezugszeit?
Arbeitgeber scheinen bislang allerdings auch nur ein begrenztes Interesse daran zu haben, hier ein Umdenken zu fördern. Die „Meaning of Work“-Studie von Indeed zeigte beispielsweise, dass bisher nur 29 % der Befragten bei ihrem Arbeitgeber feststellen, dass Väter motiviert werden, eine längere Elternzeit zu nehmen. Hier scheint nach wie vor die traditionelle Rollenverteilung in den Köpfen der Führungskräfte vorzuherrschen – was wenig überrascht, wenn man die dortige Demographie betrachtet.
Es fehlt bislang an der Möglichkeit zu mehr Flexibilität im Job, so scheint es. Denn die kann den Alltag einer Partnerschaft erleichtern, ermöglicht eine gerechtere Aufteilung der Familienarbeit und schafft dadurch Raum für wertvolle Freizeit. Unternehmen müssen umdenken: Schon kleine Veränderungen, etwa im Umgang mit der Elternzeit von Männern, fördern die Gleichberechtigung am Arbeitsplatz. Aber auch die Führungskräfte selbst sind gefragt. Sie sollten mit gutem Beispiel vorangehen und die Gleichberechtigung der Geschlechter in der Arbeitswelt vorleben – nicht nur mit einem entsprechenden Frauenanteil in den Führungsebenen. Die Väter in den Führungsetagen sollten ihren Mitarbeiter*innen auch zeigen, dass sich Familie und Beruf vereinbaren lassen – und zwar für beide Partner*innen gleichberechtigt.